INVENTIONEN'85 Sonntag,
10.2.1985
15. Konzert: EM aus England I 17:30 Uhr
TU-Gebäude Ackerstraße
In diesem kurzen, dennoch aber konzentrierten und hochvirtuosen Stück, das 1978 komponiert wurde, wird der Klang einer Trompete von einem Mikrophon abgenommen und vermittels eines Bandgerätes festgehalten. Dieses Band wird dann an ein zweites Tonbandgerät weitergeführt, das den aufgenommenen Trompetenton mit einer Verzögerung von fünf oder zehn Sekunden wiedergibt. Diese beiden Signale hört man aus Lautsprechern, die an der Rückseite des Saales angebracht sind.
Aus diesem Grunde handelt es sich bei dem Stück um die kanonartige Präsentation sich beständig wandelnder Farben und Formen, manchmal in der Form abstrakter Klangschleier, manchmal an entfernte Dramen oder wilde Fanfaren erinnernd. Am Ende des Stückes scheint der Trompeter von der Anstrengung, die es gekostet hat, tödlich erschöpft zu sein.
Tim Souster
Der Titel "Klang" hat eine doppelte Bedeutung. Zum einen benennt er den eigentlichen Ausgangspunkt des Stückes, den Klang einer keramischen Kasserolle, der eine besonders reiche Obertonstruktur aufweist. Dazu kommt, dass das Wort "clang" im Englischen eine lautmalerische Qualität besitzt, die einen Vorgang mit einem scharfen Einschwing- und einem vibrierenden Ausschwingvorgang (wie z.B. bei metallischen Klängen) beschreibt. Obwohl einsätzig, gliedert sich "Klang" in sechs kurze, klar voneinander geschiedene Sektionen:
Einleitung
Entwicklung I Duett
Entwicklung II Unterbrechung des Duetts und sich steigernde Komplexität bis zum ersten Höhepunkt
Entwicklung III Relativ statisch
Entwicklung IV Wucherungen des Materials von Entwicklung III in Glissando-Strukturen, Aufbau eines zweiten Höhepunkts und langsames Abschwellen in die
Coda
"Klang" ist eine Auftragskomposition für MAFILM und wurde im Elektronischen Studio des Ungarischen Rundfunks in Budapest im Sommer 1982 realisiert. Es wurde 1983 mit dem zweiten Preis der Analog-Abteilung des Festivals für elektroakustische Musik in Bourges ausgezeichnet.
für Bass-Posaune und Tonband
"Paramell IV" ist eine Komposition in einer Reihe von Stücken, die "Paramell" betitelt sind. Sie alle beschäftigen sich mit bestimmten farblichen Aspekten von Tönen, die in paralleler Bewegung ablaufen. Das Wort ist erfunden und deutet auf die Technik, die bei Konstruktion des Stückes verwandt wurde.
"Paramell IV" ist eine Auftragskomposition des Tubisten Melvyn Poore, unterstützt durch eine Zuwendung von East Midlands Arts, England. 1981 aber wurde es nachträglich für James Fulkerson für Posaune und Tonband im IPEM, Gent, mit finanzieller Unterstützung der Hinrichsen Foundation, London, und des Belgischen Rundfunks umgearbeitet.
DENIS SMALLEY: TIDES
zweiter Satz: SEA FLIGHT (1984)
(Auftragskomposition der Groupe de Recherches Musicales)
"Tides" basiert auf Analogien zwischen Wasser und Klang-Strukturen und Bewegungen; Bilder der Turbulenz, der Stärke und der Ruhe; das Spiel der Farben und des Lichts; die Kontraste zwischen vergrößerten Details und weit geöffneten Räumen. Der erste Teil ist um eine Reihe von teichartigen Texturen, deren jede ungefähr zwei Minuten dauert, herumkonstruiert. Das ganze Stück soll dem Ohr erlauben, sich auf Elemente innerhalb der Klänge zu konzentrieren und zur gleichen Zeit dem großangelegten Fluss zu folgen, der schließlich in einer Umgebung zur Ruhe kommt, die an die großen Gesten des Meeres gemahnt, die den zweiten Teil beherrschen.
"Sea Flight" ist um wellenförmige Bildungen herumgebaut. Es wurde ein Computerprogramm benutzt, das die einminütige monaurale Aufnahme der Flut in St. Malo (Frankreich) verräumlichen sollte. Dennoch aber ist viel von dem Material synthetisch gewonnen und nach Art der Wellenformen gebildet, ihnen überlagert oder komponiert, um sich wie diese Formen zu verhalten. Das Zusammenwirken dieser Charakteristika evoziert oftmals das Gefühl eines Fluges, worauf der Titel anspielt.
Obwohl die Materialsammlung für "Tides" bis 1981 zurückreicht, wurde es nicht vor 1983 wirklich in Angriff genommen. Das früheste Material wurde mit dem einzigartigen Digitalsynthesizer der Toronto Computer Systems Research Group an der Universität Toronto gewonnen. Im April-Mai 1983 wurde dieses Material mit analogen und digitalen Geräten im Studio für Experimentelle Musik des Finnischen Rundfunks transformiert. Dazu kamen Klänge, die mit dem Synclavier II des Studios gewonnen wurden, und Wassergeräusche. Die Grundaufnahmen wie ihre finnischen Transformationen und eine geliehene See-Aufnahme wurden dann im August-September 1983 im Numerischen Studio der GRM weiterentwickelt. "Tides" wurde in den ersten drei Monaten des Jahres 1984 im Elektronischen Studio der Universität von East Anglia abgemischt.
"Show-down", geschrieben im Herbst 1984, erlebte seine Uraufführung beim Huddersfield Festival of Contemporary Music. Die Komposition für Posaune, bespieltes Tonband und Live-Elektronik ist in einer Welt zwischen der zeitgenössischen "Kunstmusik" und dem Rockidiom angesiedelt. Sie ist zur Zeit gänzlich notiert, aber die Erwartung ist, dass der Spieler sie im Laufe der Beschäftigung mehr und mehr zu einer improvisatorischen Komposition macht, die als Fixpunkte die Grundstrukturen und die auf Band aufgenommenen Materialien hat. In diesem Sinne, wie in allen improvisatorischen Situationen, hat der Spieler einen "show-down" mit sich, seinen Fähigkeiten und seinen Vorstellungen.