INVENTIONEN'85 Samstag,
2.2.1985 Eröffnung 18:00 Uhr
Installation Rolf Julius
und Beitrag Klaus Ebbeke am 3., 7., 8., 9., 10.2 ab 18:00 Uhr
TU-Gebäude Ackerstraße
Wanderung durch
eine weite Ebene
Musik für eine
Landschaft
Kleine Lautsprecher werden
im Raum verteilt
Man hört eine Musik vorn
weiter weg und hinten
Lautsprecher
Das Publikum kann
durch die Musik gehen. An
einigen Stellen wird es eine
konkrete Musiksituation
geben
Wie Musikhügel (music mounts)
wird es bestimmte Musik
finden
Vielleicht einige Cellloklänge gar
oder ganz andere Klänge, Töne
- einen Walzer (!) hören
es kommt darauf an,
wo man sich
befindet ...
Julius 1985
Dem bildenden Künstler öffnet sich ein anderer Blick auf die akustische Welt als dem Musiker, der von Kind auf gewöhnt ist, das, was er hört, in Musik und ein Übriges einzuteilen, das der Eigenschaft Musik entbehrt. Dem bildenden Künstler jedoch mag diese Kategorisierung immer fraglich erschienen sein, und schon am Anfang unseres Jahrhunderts hatte sich ja der Wunsch geregt, alles, was hörbar war, in eine große Komposition einzubeziehen.
In einer frühen Arbeit schafft Julius die Musik zu einer Foto-Installation, bei der er einen Klang gleichsam unter zwei verschiedenen Perspektiven "fotografiert". Er nimmt denselben Klavierton auf zwei verschiedenartige Bandmaterialien auf und mischt diese dann wieder zusammen. Das, was die "musikalische" Eigenschaft bestimmt, ist die Materialität des Trägers, die in unserem abstrahierenden Musikverständnis ja eher quantité négligiable ist. Wer wäre je bereit, das Rauschen einer Bandaufnahme oder den Knacker auf einer Schallplatte als Teil des Kunstwerks zu hören?
Julius jedoch hat ein Verhältnis zur klingenden Welt, das man als haptisch kennzeichnen möchte. Das Akustische wird als physische Erscheinung ernst genommen, es soll nicht erst im synthetisierenden Vorgang des musikalischen Hörens zu einem Sinnvollen kategorisiert werden.
Diese Züge kennzeichnen auch Julius' Installation auf den "Inventionen". Der Künstler schafft einen akustisch erfüllten Raum, eine Plastik aus Klang, in die der Hörer sich begeben soll. Wenn man der Beschreibung des Konzepts folgt, so wird man unschwer feststellen, dass der Künstler gleichsam ein klingendes Bild arrangiert, dass er bei der Beschreibung des Geplanten in optischen Kategorien denkt. Auch sein Verhalten rein akustischem Material gegenüber ist von dieser Grundeinstellung bestimmt. Mit den verschiedensten Mitteln werden Klangfolgen hergestellt, auf Tonband festgehalten und dann eingelagert, ähnlich dem Maler vielleicht, der unfertige Bilder in seinem Atelier versammelt. Immer wieder dann arbeitet Julius an diesen Klangfolgen, ändert sie oder kombiniert sie neu, so dass sie sich im Laufe der Zeit von der Kenntnis ihrer Herstellung lösen und zu einem neutralen Material werden, das dann in anderen Installationen eingesetzt werden kann.
Klänge werden bearbeitet, mit Klängen wird modelliert, sie artikulieren Raum. Im Konzept für die hier geplante Installation findet sich noch ein weiteres - überraschendes - Element. Celloklänge werden im Hintergrund des Bildes angeordnet. Sie kommen jedoch nicht vom Band, sondern sollten von einem Cellisten erzeugt werden. Das Cello wird zum Doppelgänger des Komponisten, zur klanglichen Spiegelung seiner selbst, was durchaus auch ein physisches Moment hat, sind Cello und Künstler doch ungefähr gleich groß. Zudem ist das Cello das Instrument, dessen Ton am wenigsten von der Physis eines Spielers geprägt ist. Nicht muss der Spieler Atem holen; noch muss er, um den Ton des Instruments präsent zu halten, ihn beständig repetieren. Das Cello ist in der Lage, "ewig" zu spielen, sich in der Charakteristik den Lautsprechern anzugleichen, die ja auch als Instrumente verstanden werden.
Wahrscheinlich aber wird das Cello erst in eine spätere Version dieser Installation einbezogen werden. Es würde einen neuen Schritt bedeuten, eine zweite Person in den Prozess einzubeziehen, wenngleich auch sie Teil des Arrangements und nicht wirklicher Partner wäre.
Diesmal jedoch wird der Raum noch allein vom Künstler artikuliert. Die Einfachheit des Instrumentariums soll uns nicht täuschen. Es geht nicht um eine "arte povera". Der Künstler hat sich ein ihm gemäßes Werkzeug geschaffen. Der Lautsprecher selber ist ebenso Teil des Gemeinten wie das, was aus ihm ertönt.
Klaus Ebbeke