2. Juli – 17. Juli 
Eröffnung am 2. Juli um 18 Uhr
Dienstag bis Sonntag von 16-22 Uhr geöffnet
Installation     tesla -
Hof des Podewils’schen Palais

 

GardenOfCodes
Drei telematisch wachsende Klanggärten

Berlin – Köln – Florenz

 

Andres Bosshard (Zürich) Künstlerische Gesamtleitung

Alberto de Campo (Graz) Netzwerk Leitung

Lorenzo Brusci (Florenz) Giardino Sonoro

Marije Baalman, Natalie Bosko, Iftah Gabbai, Eckehard Güther, Stefan Kersten und Julius Stahl (Team Berlin)


GardenOfCodes ist ein zweiwöchiges Pilotprojekt, das den Innenhof des Podewils’schen Palais in Berlin mit dem Garten des Overstolzenhauses der Kunsthochschule für Medien in Köln und dem „Giardino Sonoro La Limonaia dell’ Imperialino“ in Florenz vernetzt und die junge „Kunst der Klanggärtnerei“ in drei öffentlich zugänglichen Stadträumen gleichzeitig präsentiert. Die „Klanggärtnerei“ ist eine mögliche Strategie, den Lärm der Stadt erfolgreich anzugreifen und exquisite Erholungsräume zu schaffen. Gärten und Parks sind im urbanen Raum die einzigen Orte, die von allen Stadtbenutzern gleichermassen akzeptiert sind. Sie sind lebendige Zeugen von mehr als 4000 Jahren Kultur und vermitteln uns eine existierende Utopie, dass wir Menschen zusammen mit lebenden Pflanzen, die wir züchten, kreuzen, hegen und pflegen, eine ausserordentlich attraktive Insel im städtischen Lebensraum schaffen können. Die „Kunst der Klanggärtnerei“ setzt diese Tradition fort und integriert klingende Telematik, sinnliche Telepräsenz und lebendige interaktive Klangobjekte mit der Kunst des Gartenbaus und der Gartenpflege.

Die Kunst der Klanggärtnerei

Aus mikroskopischen Zwischenräumen aufsteigend, zwischen schwankenden Grashalmen und zitternden Blatträndern, elliptisch pendelnden Blütenstengeln und schwirrenden Nadelspitzen hindurch bahnen sich feinste Klänge, sich um sich selber drehend, ihren Weg. Sie stammen von kleinen Glaskugeln, die mit Kapillarröhren untereinander verbunden ein unterirdisches Resonanzsystem bilden. Marmorkuben, vibrierender Kies, halboffene Amphoren und kleine schwimmende Plexiglasschalen sind so im Garten verteilt, dass die Klänge hin und hergleiten, sich in grosszügigen Kreisbahnen über dem Boden bewegen und an Steinpfeilern, Bambusstangen und frei hängenden Resonanzröhren aufsteigen können.

Mehrere Dutzend eingebaute Piezokristalle, elektromagnetische Schwingspulen und Minilautsprecher bilden unabhängige Mehrkanal-Inseln; einzelne Klangzonen entfalten in ihrem Innenbereich eigenständige Hörräume, während zwischen den Inseln frei atmende Klangräume sich zu immer wieder neuen Konstellationen mischen. Nahklangfelder, flüchtige Binnenräume, wandernde Zwischenzonen, spontan auftauchende Hörtunnel und offene transparente Klangpagoden gestalten den Hörraum eines Klanggartens. Die räumlich vielgestaltige Klangsphäre ist fest im Boden verankert, ein begehbarer Klangteppich liegt den BesucherInnen zu Füssen.         

(Andres Bosshard)

 

TESLA im Podewils’schen Palais Berlin, Klosterstraße 68-70, 10179 Berlin

In Zusammenarbeit mit Kunsthochschule für Medien Köln und Giardino sonoro la limonaia dell’imperialino Firenze, mit Unterstützung des Instituts für Meteorologie der FU-Berlin und des Elektronischen Studios der TU Berlin.

 

In Köln:
GardenOfCodes
Garten des Overstolzenhauses, KHM
Tobias Beck, Elena Devagar, Tobias Grewenig, Volker Hennes, Hannes Hölzl, Jacob Kirkegaard, Julian Rohrhuber, Martin Rumori, Dana Sindermann (Team Köln)
2. Juli bis 23. Juli 2005 Dienstag bis Sonntag 16 - 22 Uhr

In Florenz:
Giardino Sonoro La Limonaia dell’ Imperialino
Mario Bencivenni, Andres Bosshard, Lorenzo Brusci, cogesim, Maurizio Geppetti/Sonic Eyes, Stefano Passerotti, timet (Team Florenz)
permanent geöffnet März bis Oktober


Giardino Sonoro La Limonaia dell’Imperialino / Sonic Garden Lab (Florenz)

 

Klanggärten in der Stadt - ein interdisziplinäres Projekt

Die Kulturgeschichte des Gartens reicht bis in das 4. Jahrtausend v. Chr. zurück. Von Anbeginn war er Spiegel menschlichen Tuns und Schaffens. Als existenzielle Grundlage bewirtschaftet oder zu repräsentativen Zwecken angelegt, verlangt der Garten große Aufmerksamkeit. Das Studium der Natur, deren Nutzung und Veränderung stehen hier im Mittelpunkt. Der Garten ist immer eine gestaltete, künstliche Natur. Diese künstliche, von Menschen Hand „vervollkommnete“ Natur, wurde spätestens seit der Renaissance zum Ideal erhoben, parallel zu einer rasanten Entwicklung neuer Technologien und dem Kanon entbundener Wissenschaft. Die Gartenerbauer waren oft „Universalgenies“: Botaniker, Architekten, Bildhauer, Ingenieure, Mechaniker, Hydrauliker, Archäologen, Restauratoren, Geologen, Antiquare, Sammler, Wissenschaftler und Autoren. Zudem öffneten sie geistig ihren Blick für die Welt, für Historie und Gegenwart, für Fremdes und Heimisches. Der Garten stellte - nicht nur in Europa, auch in anderen Kulturen – einen „Kosmos“ dar, verband überliefertes Wissen mit neuen Erkenntnissen.

Der Besucher des Gartens hatte durch eine ausgefeilte „Dramaturgie“ teil daran, dies ermöglichte Integration und bot den besten Erholungseffekt. Über die Jahrhunderte von der Natur entfremdet, die Gartenkultur weitgehend aufgegeben, flüchten heute die Stadtbewohner ins „Grüne“. Aber was ist das „Grüne“ und wovor flüchten sie? Ein „zurück zur Natur“ gibt es nicht. Die von uns erschaffene „künstliche“ Natur ist nunmehr als eigene zu begreifen. Der Mensch, so könnte man sagen, wird sein eigener Lehrmeister. Kraft all seiner Sinne, seiner wissenschaftlichen und technologischen Errungenschaften, wäre er im Stande, auch im städtischen Gebiet, seinen „optimalen“ Lebensraum zu schaffen und die Trennung von Mensch, „Natur“ und Technik sinnvoll aufzuheben bzw. ihr Verhältnis zueinander zurechtzurücken. Die Gestaltung und Umgestaltung der Stadtlandschaft, öffentlicher Räume, Höfe, Parkanlagen und Gärten in diesem Sinne ist jedoch sowohl auf eine Sensibilität gegenüber dem eigenen und dem gesellschaftlichen Befinden und Bedürfnissen angewiesen sowie auf politische Unterstützung. Für unsere Lebensqualität von entscheidender Bedeutung ist unser akustisches Umfeld. Bis heute wird dieses von Städteplanern und Architekten weitgehend ignoriert, obgleich unsere Orientierung, die Erfahrung von Raum und Zeit, auch wesentlich über die Ohren erfolgt. Wie eine visuelle Gestaltung wäre auch eine akustische Strukturierung notwendig.

 

Giardino Sonoro La Limonaia dell’Imperialino und das Sonic Garden Lab in Florenz sind eines der wichtigsten interdiszipinären Projekte, die sich dieser Problematik künstlerisch wie wissenschaftlich widmen. An der Entwicklung der „Klanggärten“ beteiligt sind Künstler, Musiker, Botaniker, Historiker, Architekten, Landschaftsplaner, Sound- , Akustik- und Lichtdesigner, Graphiker, Informatiker, Ingenieure...  Sinnespsychologie und Technologie sind Grundlagen ihres laborativen Arbeitens. Mit einem „klangökologischen“ Ansatz, lernend und lehrend über unsere akustische Umwelt und deren Zusammenhänge, schaffen sie sinnliche Erlebnis- und Erkenntnisräume, nicht indem sie „Natur bewahren“, sondern „Natur erschaffen“ mit dem scheinbar utopischen Ziel einer neuen „Sprache“, eines Selbstverständnisses gegenüber dem Verhältnis von Mensch-Natur-Technik, in dem kreatives Potential entwickelt und die Kunst andere Voraussetzungen und Möglichkeiten findet.

Auf verschiedene Interessenpunkte konzentriert, werden im Sonic Garden Lab spezielle Systeme entwickelt, um „neue“ Formen der Wahrnehmung und Kommunikation zu erproben, beispielsweise: Der Klanggarten als Ort der Co-Existenz artifizieller und natürlicher Lebensformen, als offenes, komplexes und dynamisches „Öko“system, als Architektur ohne physikalische Grenzen bzw. „Anti-Architektur“, als offenes Studio für künstlerische und kompositorische Produktionen, als integrationsstiftender Ort und als ein Ort, in dem Lebensräume durch Verknüpfungen von visuellen und akustischen Strukturen, Symbolen, Metaphern, künstlichen Objekten und natürlicher Umgebung entstehen. Ein utopisches Projekt, fest in der Realität verankert.

Melanie Uerlings

 

Informationen: Giardino Sonoro La Limonaia dell’Imperialino / Sonic Garden Lab