INVENTIONEN'84                                                                                              Freitag, 17.2.1984
9. Konzert                                                                                                         21:00 Uhr
TU-Gebäude Ackerstraße


ROLAND PFRENGLB: SOLO

Wesentliches Merkmal des Stückes ist zunächst die Verschmelzung von Elektronik und Schlagzeug zu einem Instrument, daher der Titel SOLO. Dies wird dadurch erreicht, dass die synthetischen Klänge nicht von einem zweiten Musiker "gespielt", sondern direkt vom Schlagzeugklang gestartet und beeinflusst werden. Jedes Instrument des Schlagzeugs löst im Computer eine bestimmte Reaktion aus, je nach gespielter Lautstärke. Am Anfang eines neuen Abschnittes wechseln diese Funktionen für alle Instrumente. Im Verlauf der Komposition wird die Einflussnahme des Schlagzeugs immer geringer, bis im Schlussteil Schlagzeug und Computer unbeeinflusst nebeneinander herlaufen und eine "gespaltene" Situation eintritt. Der Tonhöhenfundus der elektronischen Ebene besteht ausschließlich aus harmonischen Obertönen der beiden Pauken. Die komplexe Verknüpfung der ersten Hälfte lässt dem Spieler keine Zeit zur bewussten Kontrolle der synthetischen Klänge; parallel zur geringer werdenden Verknüpfung in der zweiten Hälfte wird aufgrund einfacherer Reaktionen der Maschine die Elektronik bewusster eingesetzt. Schließlich bringt die zunehmende Reaktionslosigkeit des Computers die Kommunikation zum Stillstand.


DIRK REITH: "NESTED LOOPS" I

Der Begriff "nested Ioops" ist entliehen aus dem Computerjargon und bedeutet soviel wie "ineinander verschachtelte Schleifen". Schleifenartig sich wiederholende und dabei wandelnde Prozesse sind wesentlicher Bestandteil des formalen Aufbaues eines Computerprogramms, sind aber auch vergleichbar bestimmten Formprinzipien in der Musik.
In "nested loops" I wurde ein Computer sowohl als Klangerzeuger, also im musikalischen Sinne als Instrument benutzt, als auch als "Komponiermaschine". Klänge erzeugt ein Computer dann, wenn er Zahlen (Daten) schleifenartig wiederholend in einer extrem hohen Geschwindigkeit bearbeitet und diese dann, in auditive Signale verwandelt, durch einen Lautsprecher hörbar gemacht werden. Benutzt man einen Computer im Kompositionsprozess, so entsteht eine völlig neue Situation des Komponierens; es entsteht ein Dialog zwischen Mensch und Maschine, in dessen Verlauf die Komposition Gestalt annimmt.
Nicht die Komposition einzelner musikalischer Ereignisse steht im Vordergrund des Kompositionsprozesses, sondern die allgemeine Beschreibung musikalischer Strukturen durch das Programm und die Eingabedaten für das Programm. Komponieren heißt in einem solchen computergestützten Kompositionsprozess, auf die verschiedenen musikalischen Varianten, die der Computer errechnet, durch Analyse der Varianten zu reagieren. Ergebnisse dieser Analyse können dann zur Veränderung der Eingabedaten für das Programm verwendet werden, um neue, jetzt als Folge der Analyse modifizierte Ergebnisse zu erhalten. Damit kann das Stück auch als akustische Dokumentation dieses interaktiven Dialoges zwischen Programm und Komponist verstanden werden.
Das Ausgangsmaterial für die Komposition wurde 1980 im EMS-Studio Stockholm realisiert. Die Abmischung der einzelnen Materialien erfolgte im Elektronischen Studio der Folkwang Hochschule Essen.


DIRK REITH: PROGRAMM II

Das Stück basiert auf einem Computerprogramm, in dem allgemeine kompositorische Problemstellungen so formuliert werden, dass sie sich in für den Computer verständliche Eingabedaten umwandeln lassen, mit deren Hilfe der Computer musikalische Strukturen errechnet. Auf der einen Seite beinhaltet das Programm Mechanismen, musikalische Strukturen nach streng logischen Funktionen zu generieren, auf der anderen Seite ist darin ein Zufallsalgorithmus definiert, durch den es möglich ist, einen nach logischen Gesetzmäßigkeiten komponierten musikalischen Ablauf stufenweise aufzubrechen und in ein "Chaos" zu überführen. Dabei sind nicht die Extrema entscheidend, sondern der Modulationsprozess zwischen Ordnung und Unordnung. Es entsteht eine Situation, wie sie aus der Malerei bekannt ist: in einem Bild ist der Vordergrund durch eine Figur besetzt, die sich durch ihre Konstruktion vom Grund abhebt. Je komplexer die Figur gestaltet ist, desto stärker wird die Abgrenzung zum strukturierten Grund verwischt, da ein Kontinuum entsteht. Auch zwischen dem live gespielten Schlagzeug und der Tonbandschicht, die ausschließlich aus synthetischen Materialien aufgebaut ist, kommt es besonders im Parameter Klangfarbe zu Bewegungsprozessen, in deren Verlauf die bei den Schichten entweder getrennt von ihrer spezifischen instrumentalen Farbe wahrnehmbar sind oder sich klanglich durchdringen, so dass ein Kontinuum zwischen Schlagwerk und Elektronik entsteht.


ROLAND PFRENGLE: AAASP

AAASP meint: langer Ton (AAAS), der durch ein plötzliches Ereignis (P) unterbrochen wird. Der Zentralton des Stückes ist AS. Beide Elemente von Stimme und Schlagzeug verändern sich allmählich zu Tonskalen bzw. Rhythmen. Diese beiden Grundeigenarten von Gesang und Schlagzeug gleichen sich also im Laufe des Stückes an. Die Stimme wird vom Computer in Tonhöhe und Lautstärke abgetastet und steuert so synthetische Klänge (Starts, Stops, Dynamik, Frequenzen, Geschwindigkeiten, Räumlichkeit). Das Schlagzeug stoppt oder startet Klänge durch eines der fünf Tomtoms. Zusätzlich kann die Sängerin per Fußpedal ihr eben Gesungenes alle 1,8 Sekunden durch eine elektronische Verzögerung wiederkehren lassen. Das Computerprogramm ermöglicht unterschiedliche Abhängigkeiten der synthetischen Klänge von den Spielern und der Spieler untereinander via Computer.


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