INVENTIONEN'84                                                                                              Sonntag, 12.2.1984
4. Konzert: Warsaw Music Workshop                                                                  20:30 Uhr
TU-Gebäude Ackerstraße


ZYGMUNT KRAUZE: SOUND SCAPE

Das Werk - eine Auftragskomposition für den Steirischen Herbst 1975 - ist folgendermaßen instrumentiert: 4 Sitars, 8 Blockflötenmundstücke, 8 Pfeifen, 4 Gläser, 8 Schafsglocken.
Alle Instrumente sind verstärkt.
Das Tonband enthält Aufnahmen verschiedener Gesänge aus unterschiedlichen Orten in Polen, u. a. religiöse Gesänge von Pilgern, von singenden Kindern im Kindergarten, Gesang betrunkener Männer im Restaurant, einer Frau in der Kirche.
Das Stück wird von vier um einem Tisch sitzenden Musikern aufgeführt.


JOHN CAGE: CARTRlDGE MUSIC

Der Titel "Cartridge Music" geht auf die Verwendung von Tonabnehmern bei der Aufführung zurück, das heißt von Phono-Tonabnehmern, in die zum Abspielen von Schallplatten Nadeln eingesetzt werden. Auch Kontaktmikrophone werden verwendet. Letztere werden an Stühlen, Tischen, Papierkörben usw. befestigt; in die Tonabnehmer werden verschiedene Gebrauchsgegenstände (Zahnstocher, Streichhölzer, Slinkies, Klaviersaiten, Federn usw.) eingeführt. Sowohl die Mikrophone als auch die Tonabnehmer sind mit Verstärkern verbunden, und diese mit den Lautsprechern, da die Mehrzahl der produzierten Klänge schwach ist und der Verstärkung bedarf, um hörbar zu werden. Die Verstärkerregler, welche Lautstärke und Klangfarbe beeinflussen, werden von den Ausführenden bedient.
Aus einem Vorrat an Materialien stellt jeder Ausführende seinen eigenen Part her. Diese (im Juli 1960) in Stony Point, N.Y., entstandenen) Materialien, mit Ausnahme eines Blattes allesamt transparente Plastikfolien, können beliebig übereinandergelegt werden. Man sieht danach einen Komplex von Punkten, Kreisen, bimorphen Gestalten, einen Kreis, der einen Zeitblock darstellt, sowie eine punktierte Schlangenlinie. Es werden Auswertungen vorgenommen, die für die Aufführung von Nutzen sind, da sie einen befähigt, der Tätigkeit des Klänge-Schaffens nachzugehen: im allgemeinen durch Klopfen oder Reiben mit dem Gegenstand im Tonabnehmer, wobei man die Einstellung der Verstärkerregler ändert und durch die Verwendung von Gegenständen, an den Kontaktmikrophone befestigt sind, "Hilfsklänge" erzeugt, einen Gegenstand aus dem Tonabnehmer zieht und einen anderen einsetzt und schließlich "Bandschleifen" ausführt: das sind rhythmisch-periodische, wiederholte Aktionen. Der Begriff "Schleife" ist der Terminologie der Tonbandmusik entlehnt. Er bedeutet eine Schleife aus einem Tonband, mittels der das auf ihr gespeicherte Material wiederholt abgespielt werden kann.
Die resultierenden Klänge sind Geräusche, einige komplex, die anderen äußerst einfach, so zum Beispiel verstärkte Rückkoppelung, Lautsprecher-Rauschen etc. (Diese Musik akzeptiert alle Klänge; sogar solche, die man gemeinhin nicht für wünschenswert hält).
Den Auswertungen wurden die Bedeutungen eines Hauptthemas zugeordnet, und so diente das Material von Cartridge Music dazu, mehrere Texte zu fixieren, darunter "Where We Are Going? And What We Are Doing?" und "On Robert Rauschenberg, Artist, and His Work (beide in Silence, Wesleyan University Press, 1961, enthalten).
Als ich das Material für Cartridge Music zusammenstellte, hatte ich vor allem folgende Ziele vor Augen:
Erstens eine Situation zu schaffen, in der jede beliebige, vom Ausführenden vorgenommene Bestimmung nicht notwendigerweise realisierbar sein würde. Wenn zum Beispiel einer der Ausführenden die Aussteuerung der Lautstärken verändert, indem er sie fast auf Null zurücknimmt, wird die Aktion des anderen Ausführenden unhörbar, falls sie von diesem besonderen Verstärkersystem betroffen ist. Ich befasste mich mit einem Komponieren, das im Hinblick auf die Ausführung unbestimmt war, aber in diesem Beispiel ist die Ausführung sozusagen in sich selbst unbestimmt.
Zweitens: elektronische Musik zu verlebendigen. Das zu erreichen, gibt es vielerlei Wege. Der eine, den ich hier wählte, bestand darin, eine theatralische Situation zu schaffen, die die Verstärker und Lautsprecher und die lebendigen Musiker einbezog.
(Aus: Richard Kostelanetz, John Cage. DuMont Dokumente. 1973)


ZYGMUNT KRAUZE: IDYLL

Idyll ist ein Auftragswerk für den WDR Köln und wurde 1974 vom Warsaw Music Workshop uraufgeführt. Alle Instrumente wurden von Kunsthandwerkern verschiedener Regionen in Polen speziell für den Warsaw Music Workshop angefertigt. Idyll wird von vier Musikern gespielt, die während der Aufführung die Instrumente wechseln. Sie bewegen sich während des Spielens auf der Bühne und im Zuschauerraum. Die Volksinstrumente werden original gespielt. Dem Komponisten geht es um die unverfälschten Töne dieser Instrumente, nicht um Volksmelodien. Für das Ton band wurden Aufnahmen in polnischen Dörfern und auf Bauernhöfen gemacht, mit Haustieren und mit Geräuschen aus der Natur.


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