INVENTIONEN'82                                                                                              Donnerstag, 1.4.1982
3. Konzert                                                                                                            20 Uhr
Akademie der Künste


ROLF ENSTRÖM (geb. 1951)

Studierte Musikwissenschaft und Philosophie und ist Komponist von elektronischer Musik und Multimediastücken. Er ist Dozent für elektronische Komposition an der HfM Stockholm und im EMS (electronic music studio) in Stockholm. Wichtigste Stücke: Sequence in Blue, MYR (ausgewählt für ISCM 1979, aufgeführt auch in Berlin - TU Lichthof), Directions, Brottstycke, Final Curses (Auftrag vom Schwedischen Rundfunk).
Directions

DIRECTIONS (1980)

In Directions habe ich den Versuch unternommen, wildes und wucherndes Material in eine sehr genau definierte und ausbalancierte Form zu gießen. Ich habe mich entschlossen, mit dem elektronischen Material instrumentell zu arbeiten, um strukturelle Gestalten zu erzielen, die organisch wahrgenommen werden.
Das Stück ist in erster Linie als eine Sammlung von Fragen zu verstehen. Die entscheidende Frage dabei ist, wie Objekte in der Zeit verankert sind und worauf sie sich beziehen. Meine eigenen Definitionen sind absolut vorherrschend, deswegen ist eine Analyse dieses Aspektes für den Zuhörer nicht besonders interessant.
Trotzdem soll wenigstens ein Beispiel genannt werden: Die Frage nach der Kausalität. Sind die strukturellen Gestalten (Elemente) des Stückes in eine klare, kausale Syntax gesetzt oder kann die Beziehung zwischen den Elementen nicht direkt abgeleitet werden?


ÅKE PARMERUD (geb. 1953)

Er ist Komponist, Musiker und Fotograf. Seit 1975 komponiert er elektronische Musik und Multimedia. Parmerud studierte Musikwissenschaft, und arbeitet zur Zeit auch als Dozent für Musiktheorie, Gehörbildung und zeitgenössische Musik. Sein Debut machte Parmerud 1976 mit der Ton-Textkomposition "Through Landscape of Glass" und etwas später mit dem Multi-Media-Werk "Suburban Night". Dieses Stück ist immer noch in Arbeit. Andere nennenswerte Stücke sind "Närheter" (Proximités), eine Text-Tonkomposition (1. Preis in Bourges 1978), "Time's Imaginary Eye"  für Sopran, Tonband und Dias (2. Preis in Bourges 1980) und "Remain" für Orchester und Tonband.

OUT OF SIGHT (1981)

Ist eine sogenannte "reine" Computerkomposition, was heißt, dass das ganze musikalische Material direkt in einem Digitalstudio ohne irgendwelche analoge Modifikationen produziert wurde. Es ist Teil des Multi-Media-Werkes "Flood of Glass" (früher "Suburban Night") , das mit Tänzern und Dia-Projektionen kombiniert wird. Das Stück ist ein stromlinienförmiges Spiel von Flächen, Stilisierungen, oder, wenn man so will, von Vereinfachungen, die den Blick für das Reale verdunkeln sollen. Es wurde im Computerstudio des EMS produziert unter Verwendung der Programme IMPAC und POLLY.


TAMAS UNGVARY (geb. 1936 in Ungarn)

Studierte zuerst Violine und Klavier, später Kontrabass und Komposition sowie Dirigieren am Mozarteum in Salzburg (Abschlussdiplom 1963). Seit seiner Übersiedelung nach Schweden (im Jahre 1970) hat er sich vorrangig mit elektronischer Musik beschäftigt. 1972 schrieb er seine erste Computermusikkomposition und seit 1973 wird seine Musik auf zahlreichen Festivals gespielt. Er lehrt Computermusic im EMS Stockholm.

AKONEL II

Der elektroakustische Teil von Akonel II wurde durch sog. "additive Synthese" geschaffen. Die Programmierung mit der selbsterarbeiteten Computermusiksprache COTEST erlaubt es, Entwicklungen
von Texturen und Strukturen, also Entwicklungstendenzen zu bestimmen, statt einzelne Ereignisse. Akonel II wurde im EMS mit einem PDP 15- Rechner und 24 digital gesteuerten Generatoren hergestellt. Es ist dem kanadischen Künstler Robert Mitha gewidmet. Das Stück enthält zwei Grundideen. Einmal den Versuch, Elektroakustik und das Instrument Flöte aus einer extremen Gegenposition zueinander hin-zu-führen und zu verschmelzen. Zum anderen den Ausdruck extremer innerer Spannung durch die Flöte, welche sich auch als quasi Sprachstörung manifestiert, hinüberzuführen in eine melodisch-ornamentale Entspannung.


LARS-GUNNAR BODIN (geb. 1935)

Schwedischer Komponist und Grafiker. Nach seinem Studium (Kontrapunkt, Komposition) trat er zunächst mit Arbeiten an die Öffentlichkeit, in denen Züge des instrumentalen Theaters vorherrschen. Dazu zählen "Arioso", "Semicolon", "Seance". Er war auch einer von jenen, die schon Anfang der sechziger Jahre versuchten, Elemente verschiedener Kunstgattungen in ihren Werken zu integrieren: Instrumentalmusik, Tonbänder, Texte, Aktionen, Projektionen usw. Später widmete sich Bodin vor allem der elektronischen Musik und Text-Ton-Komposition. Diese gehen oft von Ideen und Konzepten aus, die im Zusammenhang mit der Wissenschaft und Technologie stehen (z. B. "Cybo", "Traces"), in denen sich aber auch naturbezogene, lyrische Züge finden ("Winter Events"). Oft arbeitete er mit der Choreographin M. Åsberg zusammen, wie z.B. in "Place of Plays", " ...from one point to any other point... ", "Events and Actions" (für Fernsehen 1971). In "Clouds" (1973) entwickelte er schließlich eine fortgeschrittene Form des musikalischen Dramas mit Multi-Media. Bodin hat sich stark für die Stiftung Fylkingen eingesetzt und auch den Bau des Fylkingen-Konzertsaales beraten, der im Hinblick auf die Vorführung elektronischer Musik und Mixed-Media besonders eingerichtet wurde. Bodin ist seit 1980 Leiter des EMS Stockholm.

keine Notes


SUKHI KANG

In Seoul, Korea, geboren 1934. Studium an der Technischen Fachschule und der Musikhochschule der Nationaluniversität Seoul, an der Hochschule für Musik Hannover und Berlin, sowie an der Technischen Universität Berlin. Seit 1969 organisiert er Festivals für Neue Musik in Seoul. 1970 Kompositionsauftrag der EXPO'70 in Osaka. Er ist Gründer des jährlich stattfindenden "pan-Musikfestivals", Musikredakteur der Kulturzeitschrift "Space" und Vorsitzender der Koreanischen Sektion der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik ISCM. An der HfM der Nat. Univ. Seoul unterrichtete Kang Komposition, Instrumentation und Analyse der Neuen Musik. Seit 1980 Aufenthalt in Köln und Berlin. Auftragswerke-vom WDR (Bronzezeit), von den Berliner Festwochen (Mega-Melos) und der Flötenakademie Tokio (Man-Pa). 1980/81 Stipendiat des Berliner Künstlerprogramms des DAAD und seither künstlerischer Mitarbeiter des elektronischen Studios der TU Berlin . Zur Zeit arbeitet Sukhi Kang an dem Stück "Mutatio Perpetua"  für 24 Spieler und elektronische Klänge für die Weltmusiktage 1982 der ISCM in Graz.

MAN- PA (1981)

Im Museum der koreanischen Stadt Kyong Dju ist eine sagenumwobene Bambusflöte mit dem Namen "Man-Pa-Shik-Tchok" ausgestellt. Man-Pa bedeutet: gewaltiger Strom, Shik: Atem und Tchok: Flöte. Die Legende berichtet von einem verheerenden Sturm, der zu schweren Verwüstungen im Lande führte, der sich aber plötzlich legte als wunderbare Klänge ertönten, die durch die Schwingungen von Bambussträuchern entstanden. Der Sturm selbst hatte die Schwingungen hervorgerufen, deren Musik von da an Wind und Meer beruhigte. Die Wunderwirkung der Sträucher blieb auch in der Flöte erhalten, die der König des Landes aus dem Bambus anfertigen ließ. So konnte seither durch den Klang der Flöte jede Katastrophe vom Lande ferngehalten werden.
Als Instrumente sind in Man-Pa eine Soloflöte und vier Gruppen von Flöten besetzt: Gruppe 1 und 2 mit je vier großen Flöten, Gruppe 3 mit drei Altflöten und Gruppe 4 mit zwei Bassflöten und einer' Kontrabassflöte. Das Tonband mit den vier Flötengruppen wurde produziert im elektronischen Studio der Technischen Universität Berlin, Flöten: Beate-Gabriela Schmitt.

BEATE GABRIELA SCHMITT (geb. 1949 in Berlin)

Studierte Musik (Flöte) an der Hochschule für Musik in Berlin und Hamburg (künstlerische Diplomprüfung 1972, Konzertexamen 1974), in Berlin auch Zwölftonanalyse und Musiksoziologie. Seither frei tätig mit klassisch-romantischem und zeitgenössischem Repertoire. Seit 1978 Dozent der Flötenklasse im Institut für Neue Musik in Darmstadt. Beate Gabriela Schmitt entwickelte neue Blastechniken; sie arbeitete mit Komponisten bei der Konzeption von Stücken zusammen und übernahm die Uraufführungen zahlreicher, zum Teil ihr gewidmeter Flötenkompositionen.


WILLIAM BRUNSON (geb. 1953 in Dallas, Texas)

Von 1971 - 75 studierte er englische und amerikanische Literatur am Dartmouth College und begann bei John Appleton zu komponieren. 1975 bekam er ein Reynolds Stipendium und studierte elektronische Musik bei Lars-Gunnar Bodin in Stockholm, von 1977-79 setzte er sein Kompositionsstudium an der Columbia University in New York City fort. Seine Lehrer waren George Edwards, Jack Beeson und Mario Davidovsky. Brunson kehrte 1980 nach Stockholm zurück und unterrichtet elektronische Musik am Konservatorium und am EMS.

TAPESTRY II (1981)

In Tapestry II habe ich versucht, die Erfahrungen, die ich beim Spielen von Rock Musik gemacht habe, mit formal zeitgenössischen Kompositionsmethoden zu verbinden. Eindeutig stilistische Merkmale des Rock, wie Tonalität und repetitiver Rhythmus, werden jedoch abgeschwächt. Andererseits werden aber die für Rock typischen Phrasenmodelle und Artikulationen mit atonalen Tonhöhenstrukturen kombiniert, um eine Art von musikalischer Mischgrammatik zu erzeugen. Formal besteht Tapestry II aus drei großen Abschnitten. Der erste ist polyphon, verändert sich schnell und ist voller Überraschungen; das Gefühl von Improvisation oder "Spiel" ist hier vorherrschend. Dann folgt ein langsamer zweiter Teil, in dem alle Extreme allmählich zu einer monochromatischen Akkordstruktur reduziert werden - es ist ein relativ "veränderungsarmer" Abschnitt, den man als Negativ des ersten verstehen kann. Im dritten Teil wird der Versuch unternommen,-die dynamische Bewegung vom ersten Teil wieder aufleben zu lassen, aber ein durchdringender Klang unterbricht, trennt und neutralisiert die Wiederkehr des neuen - alten Materials. Tapestry II wurde am Columbia-Princeton Electronic Music Center in New York begonnen und im A1 Studio von EMS Stockholm fertiggestellt. Die elektronischen Klänge wurden ausschließlich mit einem Buchla-Synthesizer hergestellt.


TOMMY ZWEDBERG (geb. 1946 in Stockholm)

Studierte Musik (Komposition und Trompete) und Pädagogik an der Staatlichen Musikschule in Stockholm. Er begann seine Karriere als Trompeter in einer Militärkapelle und spielte während seines Studiums in professionellen Unterhaltungsorchestern. Später studierte er drei Jahre lang elektronische Musik bei Bodin und widmete sich als Komponist ausschließlich diesem Genre sowohl in eigenständigen Produktionen als auch als Teil von Mixed-Media- Stücken. Intensiv beschäftigte er sich auch mit dem Experimentalfilm, wobei auch  "LIKE MOTHER LIKE CHILD" entstand, welcher im Schwedischen Fernsehen gesendet und einige Male in ausländischen Filmfestivals gezeigt wurde. Es ist ein Film über die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, wie sie in dem Sprichwort like mother like child charakterisiert scheinen.

keine Notes


RAGNAR GRIPPE (geb. 1951 in Stockholm)

Studierte zuerst Cello, dann Musikgeschichte und elektronische Musik (EMS Stockholm 1971-72, GRM Paris 1972-74, McGill Universität Montreal 1975) und nahm Privatunterricht 1973-76 bei Luc Ferrari. Seither 16 Kompositionen elektronischer Musik, produziert in französischen, kanadischen und schwedischen Studios. Koproduktionen mit verschiedenen Künstlern, besonders in Videofilmen. Arbeitet und lebt seit 1972 in Paris.

ORCHESTRA

1980 komponiert und im gleichen Jahr bei dem internationalen Festival für elektronische Musik in Stockholm uraufgeführt. Meine Absicht war es, durch eine fast instrumentale Notation eine quasi sinfonische Partitur zu erstellen. Besonders die Berücksichtigung der verschiedenen Spielarten von "Instrumenten" sollte eine akustische Situation schaffen, die der in einem Konzertsaal ähnelt. Selbstverständlich wurde nicht beabsichtigt, ein Sinfonieorchester zu initiieren, sondern eher, bestimmte Elemente und Methoden zu verwenden,' die Bestandteil sinfonischer Arbeiten sind. Vor kurzem wurde Orchestra in einer visuellen Version fertiggestellt, unter Mitarbeit des amerikanischen Videokünstlers Ron Hays. Das Stück wurde im EMS Stockholm aufgenommen und abgemischt.

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